Heuristik

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Wärmepumpenheizungen werden einen wesentlichen Beitrag zur Wärmewende und damit zur Bekämpfung der Klimakrise darstellen, da sie perspektivisch komplett mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen betrieben werden können. Schon heute liegt der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen bei knapp 60%. Dazu ist es aber auch erforderlich, das europäische Stromnetz massiv auszubauen und zahlreiche Stromspeicher zu errichten, die unvermeidbare Schwankungen möglichst ausgleichen können.

Man hofft, dass Verbraucher, die an das Stromangebot angepasst werden können, die Anforderungen an den Netzausbau und die erforderliche Anzahl von Windrädern und PV-Anlagen insgesamt reduzieren können. Da man sich beheizte Gebäude als Wärmespeicher vorstellen kann, können Heizungsanlagen wie Wärmepumpen grundsätzlich variabel betrieben werden. Die aktuell verfügbare Menge an produziertem Strom spiegelt sich in den Strompreisen an der Strompreisbörse wider, so dass auch unsere Wärmepumpenheizung grundsätzlich anhand des aktuellen Strompreis gesteuert werden kann, wodurch wir einen Beitrag zur Wärmewende leisten und dabei auch noch finanziell profitieren könnten.

Um Geld sparen zu können, haben wir bereits einen Smartmeter installieren lassen und beziehen unseren Ökostrom von Tibber, das mit uns auf stündlicher Basis nach den Preisen der Strompreisbörse abrechnet. Im letzten Jahr wurde unsere Wärmepumpe im Rahmen eines Pilotversuchs zwischenzeitlich durch eine intelligente Steuerung von Homely gesteuert, die das aktuelle Wetter berücksichtigen und am Ende unser Haus sogar „vorheizen“ konnte. Zu dieser Zeit war bei uns aber noch kein Smartmeter verbaut, so dass wir noch nicht stündlich abrechnen konnten. Die Strompreisschwankungen blieben somit unberücksichtigt.

Aktuell besitzen wir ein solches System nicht, so dass wir nur versuchen können, mit den Bordmitteln unserer ThermaV-Heizung variabel zu heizen. Dazu versuche ich nun eine Heuristik zu entwickeln, mit dem Ziel, insgesamt Kosten zu sparen. Zunächst stellt sich die Frage, wie hoch das maximale Sparpotenzial überhaupt ist.

In der Abbildung sehen wir die Preisschwankungen für Endverbrauchende Anfang Oktober 2024. Der durchschnittliche Strompreis liegt bei ca. 30ct, die tägliche Schwankung in der Größenordnung 10ct, wobei die Stunden von 8 bis 9 Uhr morgens und 18 bis 19 Uhr abends am teuersten sind. Relativ günstig sind die Stunden nachts von 3 bis 4 Uhr und mittags von 13 bis 14 Uhr, wo relativ viel Solarstrom erzeugt wird. Hätten wir einen sehr großen verlustfreien Stromspeicher (bei uns rechnerisch mindestens 130 KWh), dessen Investitionskosten vernachlässigt werden könnten, könnten wir unseren gesamten täglichen Strombedarf nachts beziehen und würden dann ca. 5ct gegenüber dem Durchschnittspreis sparen. Selbst das würde unsere Kosten aber auch nur um ein Sechstel (5ct/30ct) oder 17 Prozent mindern. Das liegt hauptsächlich an den hohen Fixkosten pro KWh Strom, die Verbrauchende entrichten müssen.

Die aktuelle Ausstattung unserer Heizung setzt uns dabei zusätzliche Grenzen. An unseren Heizkörpern befinden sich Thermostate der Firma Heimeier, die manuell gesteuert werden. Diese stehen bei uns in den meisten Räumen auf 3,5, so dass wir ungefähr 21°C im gesamten Haus haben, die Ventile werden bei uns in der Regel auch nicht weiter angefasst. Würden wir die Vorlauftemperatur unserer Wärmepumpe nun anheben, würde sie zwar vermutlich ineffizienter arbeiten, das Haus aber wahrscheinlich auch nicht wärmer werden, da die Thermostatventile dann ja abregeln. Lediglich die Differenz zwischen Vorlauf- und Rücklauftemperatur würde sich verringern, da ja kaum nach Warmwasser in die Heizkörper fließen würde. Ein „Preheating“ wie bei Homely ist also nicht mehr möglich. Als das Homely-System aktiv war, sollten wir deshalb ja extra alle Thermostatventile auf Maximum (5) stellen.

Wir können allerdings die Vorlauftemperatur verringern, dann würde das Haus definitv irgendwann kälter werden, da die Wärmepumpe dann ja die Heizenergie nicht mehr liefern würde. Zu beachten ist dabei aber, dass schlechter gedämmte Bereiche unseres Hauses dann vermutlich stärker von der Abkühlung betroffen sein werden. (Grundsätzlich könnten wir natürlich auch das ganze Haus mit programmierbaren Ventilen ausstatten und ein Smarthome-System verwenden, davon will ich aber zunächst -allein schon aufgrund der damit verbundenen Kosten- Abstand nehmen.)

Bei der Entwicklung einer geeigneten Heuristik müssen aber vermutlich noch weitere Einflussfaktoren berücksichtigt werden. Ein wichtiger Einflussfaktor ist die Schwankung der Außentemperaturen im Winter. Für die genaue Betrachtung benötigte man natürlich aktuelle Wetterdaten, stark vereinfacht kann man aber davon ausgehen, dass die Außentemperatur im Winter bei Dunkelheit (also ca. von 17 Uhr abends bis 7 Uhr morgens) im Durchschnitt um 5 Grad fällt. Nehmen wir einen linearen Abfall an, fällt die Außentemperatur also um ein halbes Grad pro Stunde.

Der Wärmeverlust des Hauses, der durch Heizung kompensiert werden muss, genauer der Wärmestrom, ist proportional zur Temperaturdifferenz zwischen innen und außen. Haben wir zum Beispiel im Winter um 17 Uhr 5°C Außentemperatur und morgens um 7 Uhr nur noch 0°C bei einer Innentemperatur von 20°C, haben wir morgens ungefähr ein Drittel mehr Wärmeverlust ( (20 – 0) / (20 – 5) = 1,33 ). Allerdings sieht man an der Formel, dass die Innentemperatur dabei nur eine geringe Rolle spielt. Es gilt zwar auch hier die Faustregel: Eine Reduktion der Innentemperatur um 1°C spart ca. 5% bis 6% Heizenergie. Das bezieht sich aber auf die dauerhafte Senkung. Eine temporäre Senkung bedeutet ja, dass die Energie später wieder zugeführt werden muss. Insofern gehe ich davon aus, dass der variable Wärmestrom nicht in der Heuristik berücksichtigt werden muss.

Ein durchaus wichtiger Effekt ist aber der Einfluss der Temperaturdifferenz auf die Effizienz der Wärmepumpe. Auch hier gibt es eine Faustregel. Der Stromverbrauch einer Wärmepumpe steigt um ca. 3% mit jedem zusätzlichen Grad Temperaturhub. Dies ist pro erzeugter Heizenergie zu verstehen. Unsere Heizkurve ist zurzeit so eingestellt, dass Sie bei Abfall der Außentemperatur um 1°C die Vorlauftemperatur um ca. 0,6°C anhebt. Bei 0°C Außentemperatur ist die Vorlauftemperatur bei 40°C (Temperaturhub 40°C), bei 5°C bei 37°C (Temperaturhub 32°C). Das bedeutet dann, dass die Wärmepumpe bei 0°C ca. ein Viertel (8 * 3%) mehr KWh Strom pro erzeugter KWh Heizenergie benötigt als bei 5°C. Somit sollte man tendenziell wohl eher heizen, wenn es wärmer ist. Aber geht das?

Zuletzt spielt noch das Nutzerverhalten eine Rolle. Unser Tagesablauf ist individuell sehr unterschiedlich und das Lüftungsverhalten kann ebenso wie der Wärmeeintrag durch Kochen und Backen nicht vorhergesagt werden. Grob können wir uns aber darauf einigen, dass es nachts kälter als tagsüber sein darf. Eine Nachtabsenkung hatte ich ja auch schon eingerichtet. Daraus kann sich nun insgesamt folgende Strategie ergeben:

  1. Wenn der Strom teuer ist, Vorlauftemperatur kurzzeitig reduzieren unter Inkaufnahme, dass es dann kälter wird.
  2. Im Anschluss dann Vorlauftemperatur unbedingt wieder anheben (evtl. sogar etwas stärker), damit es schnell wärmer wird.
  3. Nachts Vorlauftemperatur senken, tendenziell stärker gegen morgen, aber rechtzeitig vor dem Aufstehen wieder erhöhen, um Komfortverlut zu vermeiden.
  4. Berücksichtigen, dass Warmwasserbereitung auch schon über den Tag gesteuert wird. Der PV-Ertrag soll nur für die WW-Bereitung genutzt werden, im Winter ist der PV-Ertrag ohnehin relativ gering und unzuverlässig.
Uhrzeit01234567891011121314151617181920212223
Strompreis    +++++    +++++++  
PV-Ertrag         +++++++++++++++++       
Warmwasser454545454545454040404040585858585353535353535353
Vorlauf-5-5-5-5-5-1-1-2-2-1-1-1-1-1-1-1-1-1-2-2-1-1-1-5
Steuerung von Warmwasser unf Vorlauftemperatur

Die Absenkung der Vorlauftemperatur tagsüber von nur einem Grad soll erstmal gewährleisten, dass es möglichst keine Komforteinbußen gibt, die Absenkung nachts von fünf Grad hat uns ja schon bisher nicht beeinträchtigt. Ich werde das Verhalten unserer Heizung nun erst einmal beobachten.

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